Ein Paar sitzt auf der Couch und verarbeitet seine Trennung.
Depression

Fünf Phasen der Depression: Was steckt hinter dem Mythos?

Lesedauer unter 5 Minuten

Redaktion

  • Viktoria Vida (Psychologin, Master of Science)

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Susanne Zeigermann (Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie)

Schätzungsweise 264 Millionen Menschen weltweit leben mit Depressionen. Die Deutsche Depressionshilfe geht davon aus, dass hierzulande rund 5,3 Millionen Erwachsene im Alter von 18 bis 79 Jahren im Laufe eines Jahres betroffen sind. Die Erkrankung kann sich individuell durch unterschiedliche Symptome zeigen. Es gibt aber ebenso Berichte von typischen Phasen, die depressive Menschen durchleben. Ein Beispiel ist das sogenannte Fünf-Phasen-Modell der Depression. Was es mit diesem Modell auf sich hat und warum Sie sich daran nicht orientieren sollten. 

Worauf basiert das Fünf-Phasen-Modell der Depression?

Das Wichtigste vorweg: Das Fünf-Phasen-Modell der Depression entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage. Umso verwunderlicher ist es, dass sich im Internet dazu viele Beiträge finden, die eine allgemeine Gültigkeit des Modells suggerieren. Häufig werden dabei entweder keine Informationen über die Herleitung des Modells gegeben oder es wird als Ableitung beziehungsweise Weiterentwicklung des bekannten Fünf-Phasen-Modells des Sterbens von Elisabeth Kübler-Ross dargestellt. Das Modell von Kübler-Ross basiert auf Interviews mit unheilbar kranken Patientinnen und Patienten und soll dazu beitragen, die psychologischen Reaktionen auf den bevorstehenden Tod besser zu verstehen. Die fünf Phasen des Sterbens lauten: Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz.

Das Modell nennt diese fünf Phasen einer Depression

  • Phase 1: Negative Gedanken
  • Phase 2: Veränderung des Appetitgefühls
  • Phase 3: Veränderung des Schlafverhaltens
  • Phase 4: Selbstvorwürfe und Schuldgefühle
  • Phase 5: Suizidgedanken und -verhalten

Aus wissenschaftlicher Sicht ist dieses Modell jedoch nicht belegbar. Darüber hinaus erscheint es schwierig, das komplexe Krankheitsbild der Depression in einem solch simplen und allgemeingültigen Fünf-Phasen-Modell darzustellen.

Eine junge Frau im Bus schaut besorgt aus dem Fenster

Häufiges Grübeln und negative Gedankenspiralen sind typisch für Depressionen, treten aber nicht nur in einer bestimmten „Phase“ oder zu Beginn der Erkrankung auf.

Wie sollten die fünf Phasen der Depression verstanden werden?

Die Sehnsucht nach einer nachvollziehbaren Reihenfolge depressiver Phasen ist verständlich. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass sich Depressionen bei Betroffenen verschieden ausprägen und von Person zu Person unterschiedlich äußern. Depressionen sind weder in offiziellen Klassifikationssystemen wie dem International Classification of Diseases (ICD-11) oder dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) in Stadien definiert, noch gibt es Studien, die eine typische Reihenfolge von Symptomen belegen wie die oben genannten fünf Phasen. Es gibt keine festgelegten Phasen, sondern nur typische Symptome, die individuell unterschiedlich ausgeprägt sein können. Darüber hinaus können natürlich noch weitere Symptome auftreten. Vor allem aber sollte von keiner linearen Abfolge ausgegangen werden. 

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In welchem Zusammenhang sprechen Fachleute von Phasen der Depression?

Im Kontext der Depression sprechen Fachleute häufig von Phasen. Zum einen können damit die verschiedenen Behandlungsphasen gemeint sein: Je nachdem, ob ein Mensch gerade eine akute depressive Phase (eine sogenannte Episode) erlebt, die Symptome langsam abklingen oder gar nicht mehr auftreten, bedarf es unterschiedlicher Schwerpunkte in der Therapie. Zum anderen verlaufen Depressionen typischerweise episodisch. Das heißt, die Krankheitsphasen sind zeitlich begrenzt und klingen irgendwann wieder ab. In diesem Zusammenhang wird auch von einer depressiven Phase gesprochen. 

Welche negativen Gedanken treten bei Menschen mit Depressionen häufig auf?

Auch wenn man nicht von einer Chronologie der Symptome ausgehen kann: Es lohnt sich, negative Gedankengänge genauer anzuschauen, da bei Menschen mit Depressionen häufig ähnliche Denkmuster auftreten. Sie erschweren es ihnen, positive Gedanken zu fassen. 

Patientinnen und Patienten mit Depressionen leiden häufig unter negativen Gedankenmustern, wie Schwarz-Weiß-Denken oder Verallgemeinerungen.

Patientinnen und Patienten mit Depressionen leiden häufig unter negativen Gedankenmustern, wie Schwarz-Weiß-Denken oder Verallgemeinerungen.

Folgende Denkmuster zeigen sich bei vielen Menschen mit Depressionen:

Verallgemeinerungen

„Ich werde niemals einen Job bekommen“: Eine solche Reaktion beispielsweise auf ein einziges missglücktes Bewerbungsgespräch ist exemplarisch für ein negatives Denkmuster. Einzelne Erlebnisse werden generalisiert und als allgemeingültige Tatsache hingenommen. 

Dinge persönlich nehmen 

„Mein bester Freund meldet sich nicht bei mir. Ich muss uninteressant und nicht liebenswert sein“: Betroffene ziehen die eigene Person als Ursache für Ereignisse oder das Verhalten anderer heran, obwohl es dafür viele andere Gründe geben könnte.

Schwarz-Weiß-Denken

„Gut oder schlecht“, „sinnvoll oder sinnlos“, „richtig oder falsch“: Betroffene denken in Extremen, es fällt ihnen schwer, Erlebtes von verschiedenen Seiten zu betrachten oder neutral zu bewerten. 

Unrealistische Wünsche

„Ich sollte schöner und beliebter sein“: Hierbei handelt es sich um einen Wunsch, der nicht durch eine einfache Verhaltensänderung erfüllt werden kann. Solche Wünsche sind schwer zu erfüllen, weil ihnen eine Abwertung der eigenen Person zugrunde liegt.

Überbetonung des Negativen

„Mein Vortrag war okay. Aber dass ich die andere Aufgabe nicht termingerecht fertigbekomme, wird mich den Job kosten“: Egal, wie viel Gutes passiert ist, ein einziger ungünstiger Moment reicht aus, um alles andere als irrelevant zu betrachten. Zurück bleiben nur negative Gefühle, Patientinnen und Patienten erkennen das Positive einer Situation nicht mehr.

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Welche Symptome treten häufig in einer depressiven Episode auf?

Depressionen äußern sich nicht bei jedem Menschen gleich. Sie treten in sogenannten Episoden auf, die jedoch keinesfalls als Phasen im Rahmen des Fünf-Phasen-Modells zu verstehen sind. Die Dauer der Episoden, die Symptome und der Schweregrad können variieren. Da es verschiedene depressive Erkrankungen gibt, ist es nahezu unmöglich, sie übergreifend in eindeutige Stadien zu unterteilen. Stattdessen kann es hilfreich sein, vergleichbare Symptome zu betrachten, die bei Menschen mit Depressionen häufig beobachtet werden und die dabei helfen können, die Depression zu erkennen:

  • deutlich gedrückte Stimmung
  • Interesselosigkeit
  • Antriebslosigkeit
  • verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
  • vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
  • Schuldgefühle
  • innerliche Unruhe oder Verlangsamung
  • Schlafstörungen
  • Appetitstörungen
  • Suizidgedanken und -handlungen

Suizidgedanken ansprechen oder besser nicht?

Depressive Störungen sind die häufigste Ursache für Suizide. Sie vermuten bei einem von Depression betroffenen Menschen aus Ihrem Umfeld Suizidgedanken? Dann ist es ratsam, aktiv nach solchen Gedanken zu fragen und die betroffene Person gegebenenfalls dabei zu unterstützen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. 

Es gibt keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass suizidale Gedanken durch das Ansprechen überhaupt erst hervorgerufen werden. Durch frühzeitiges Fragen und Hilfsangebote lassen sich im Gegenteil Suizide in vielen Fällen verhindern. 

Hilfe in Notfällen

In akuten Notfällen beispielsweise bei drängenden und konkreten Suizidgedanken wenden Sie sich an die nächste psychiatrische Klinik oder wählen Sie den Notruf unter der Telefonnummer 112

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